Labyrinth Marrakech

Marrakech, eine pulsierende Stadt voller Leben. Das wird uns schon bei der Anfahrt vor Augen geführt. Reichlich Verkehr. Autos, Motos, Lastwagen, Busse, Velos, Handwagen, Fussgänger und Eselskarren teilen sich die Strasse. Gefahren wird vierspurig, auch wenn nur zwei zur Verfügung stehen – und mit „Geisterfahrer“ ist allemal zu rechnen. Für unseren Aufenthalt haben wir einen Parkplatz im Zentrum, gleich hinter der grossen Koutoubia-Moschee gewählt. Mangels jeglicher Ortskenntnisse verlassen wir uns blindlings auf unser Navi. Dass die Strassen im Zentrum immer enger werden, scheint uns plausibel. Peinlichst achten wir mit unserem 3,6 Meter hohen Fahrzeug auf tiefhängende Kabel und Balkone. Aus den engen Strassen werden Gassen und aus den Gassen enge Gassen. Die nächste Kurve nach rechts ist mehr eine Ecke als eine Kurve. Aber bald sind wir am Ziel. Nur noch wenige hundert Meter. Freundlich winken uns Passanten und entgegenkommende Velofahrer zu. Heissen sie uns willkommen? Freundlich winken wir zurück. Und dann, die Überraschung. Nun ist uns auch klar, warum uns die lieben Menschen zugewinkt haben. In der nächsten engen Gasse, nach einer ebenso engen Linkskurve ein Torbogen. Wunderschön verziert und sicher mehrere hundert Jahre alt. Leider ist er aber nur für die Durchfahrt von Eselskarren gross genug. Unweigerlich sind sie präsent, all die Geschichten über Autofahrer, die mit Hilfe ihres Navis ins Elend geführt wurden. Aber was soll’s? Wenden? keine Chance. Also - den Rückwärtsgang einlegen, sämtliche Untersetzungen zuschalten und im Schneckentempo zurücksetzen. Hilfreich unterstützt werde ich von zwei grossen Rückspiegeln, der Heckkamera und Brigitte, die mir die weniger hilfreich herumstehenden Passanten und Velofahrer mit ihren gutgemeinten Ratschlägen vom Leibe und vom Fahrzeug hält. Aber – kein böses Wort ist zu hören, keine Ungeduld zu spüren. Das hilft auch. Und so fahre ich Meter für Meter, Kurve für Kurve zurück, bis die etwas breiter werdende Gasse ein Wenden des Fahrzeugs erlaubt.

Über mehrere Umwege finden wir schliesslich den bewachten Parkplatz hinter der Zentralmoschee. Ein Stellplatz für Wohnmobile, der lediglich das Prädikat „günstig gelegen“ und allenfalls „ruhig“ verdient. Die Bewertung „ruhig“ werde ich am anderen Morgen allerdings zurückziehen. Die Rufe des Muezzins vom nahen Turm der Moschee, ausgerufen über die Hochleistungslautsprecher in der Krone des Minaretts, lassen einem regelmässig das Blut in den Adern stocken - vor allem zur frühen Morgenstunde. Aber – wie erwähnt – der Platz ist zweckmässig gelegen, nur wenige Gehminuten hinter dem Place Djemaa El Fna, dem „Versammlungsplatz“ und den Souks. Letztere sind auch Ziel unserer ausgiebigen Streifzüge. Wir staunen über das schier unendliche Angebot an Waren: Gewürze, Kräuter, Honig, Öle, Seifen, Früchte wie Datteln, Orangen, Bananen, dann, einige Passagen weiter: Teppiche, Lampen, Kunsthandwerk, Zeichnungen, Geschirr, später wiederum: Kleider und Schuhe, dazwischen immer wieder kleine Gassenküchen mit mehr oder weniger exotischem Angebot (gegarte Schafsköpfe oder auch gedämpfte Unterschenkel, vermutlich ebenfalls vom Schaf). Auf dem Djemaa El Fna Schlangenbeschwörer, Gaukler, Frauen, die mit Henna Ornamente auf die Hand malen oder ein alter Mann (könnte aus einem Film von Fellini entsprungen sein), der auf einer Wolldecke abgebrochene Zähne und Teile von Zahnprothesen zum Verkauf anbietet. Ein vielfältiges, intensives, immer wieder verblüffendes, skurriles aber auch glückshormonauslösendes Angebot für Augen, Ohren und Nase. Überraschend angenehm sind die mehrheitlich „anständigen“ Verkäufer, die uns wohl ansprechen um ihre Waren feil zu bieten, aber nach einem freundlichen „non merci“ auch in Ruhe lassen. Absolut nervend, gefährlich und unnötig empfinden wir hingegen die allgegenwärtigen Moped- und Velofahrer, die aggressiv und rücksichtslos in den engen Gassen der Souks durch die flanierenden Fussgänger kurven. Dagegen verhalten sich die Zürcher Trottoir-Velofahrer wie Chorknaben.

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